Haftbefehl nur für Schwerverbrecher?

Haftbefehl nur für Schwerverbrecher?

Der rote Zettel mit dem Haftbefehl kommt aus der Tasche der Fahnder, die Handschellen klicken, der Mensch wandert ins Gefängnis. So oder ähnlich stellt man sich gemeinhin eine Festnahme vor.

Und viele Menschen sind sich sicher: Das muss wohl ein Schwerverbrecher sein, denn nur die werden mit Haftbefehl gesucht. Weit gefehlt: Ein 10-Euro-Knöllchen kann durchaus ausreichen, den eigenen Namen auf dem roten Zettel lesen zu müssen und im schlimmsten Fall für das falsche Parken tatsächlich hinter schwedischen Gardinen zu landen.

Knapp 2.000 Haftbefehle gehen im Schnitt pro Jahr bei der Polizei im Kreis Viersen ein. Weniger als die Hälfte dieser Haftbefehle sind dabei tatsächlich verurteilten Straftätern oder Tatverdächtigen gewidmet. Diese Menschen werden gesucht, weil sie eine rechtskräftige Strafe zu verbüßen haben oder weil sie einer Straftat verdächtig sind und sich dem Strafverfahren durch Flucht entzogen haben oder sie haben eine Geldstrafe nicht bezahlt und müssen nun die festgelegte Ersatzfreiheitsstrafe antreten.

Nicht in allen Fällen endet die Festnahme wegen eines Haftbefehls auch wirklich im Gefängnis: So hatte ein 18-jähriger Anrather Glück: Gegen ihn lag ein Untersuchungshaftbefehl wegen Verdachts der Körperverletzung und Bedrohung vor. Vor dem Haftrichter gelang es dem Mann, den Gang ins Gefängnis abzuwenden. Der Richter setzte den Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug und der junge Mann durfte nach Hause gehen.

Gut die Hälfte dieser Haftbefehle sind aber sogenannte Erzwingungshaftbefehle. Und diese führen uns zurück zu den Knöllchen wegen falschen Parkens oder anderer Ordnungswidrigkeiten. Dann nämlich, wenn man ein Bußgeld oder ein Verwarngeld einfach nicht bezahlt, dann droht am Ende die Erzwingungshaft.

Das bedeutet, dass der Staat dem säumigen Zahler durch die Haft klar machen will, dass er zahlen muss. Es ist dabei nicht so, dass man die fälligen zehn Euro durch einen Tag „absitzen“ erledigen kann. Man soll im Gefängnis vielmehr darüber nachdenken und verstehen, dass man sie wird zahlen müssen.

So ging es auch einem 39-jährigen Dülkener. Gegen den Mann lagen zwei Haftbefehle vor: Eine eintägige Erzwingungshaft war festgesetzt, weil der Dülkener ein Bußgeld von zehn Euro nicht bezahlt hatte. Die Erzwingungshaft hätte er mit Zahlung verhindern können, das wäre ihm vermutlich noch gelungen, wenn denn nicht der zweite Haftbefehl noch offen gewesen wäre: Der Mann war wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.340 Euro verurteilt worden. Auch die hatte er nicht gezahlt und konnte es auch nicht. Dafür muss er eine Ersatzfreiheitsstrafe von 66 Tagen absitzen. Da er von der drohenden Verhaftung wusste, war er untergetaucht. Den Fahndern des KK 4 gelang es, den Gesuchten in der Wohnung eines Angehörigen festzunehmen. Er hat nun für 67 Tage eine festen Wohnsitz in einer Justizvollzugsanstalt.

(Report Anzeigenblatt)