112.000 Unterschriften für G9 gesammelt

112.000 Unterschriften für G9 gesammelt

Weit mehr Unterschriften als notwendig konnte die Bürgerinitiative „G9 Jetzt NRW“ dem Landtag überreichen: Gut 112.000 Unterschriften wurden gesammelt, wovon bei 99.071 die Gemeinden die Wahlberechtigung geprüft und bestätigt haben.

Doch leider ohne Erfolg: Der Landtag lehnte am Mittwoch eine Rückkehr zu „G9“ ab.

Die Bürgerinitiative „G9 Jetzt NRW“, die es erstmalig geschafft hat, ohne Unterstützung von Verbänden und Parteien zum Erfolg zu gelangen, beklagt, dass durch die Schulzeitverkürzung der Druck auf Schülerinnen und Schüler deutlich zugenommen, die Bildungsleistung aber abgenommen hat. So sammelten sie über hunderttausend Unterschriften und zwangen den Landtag dazu, sich nochmals mit dem Thema „G9“ auseinander zu setzen. Leider ohne Erfolg. Für die G9-Befürworter unterverständlich, sehen sie doch eine zunehmende Belastung für das gesamte Schulsystem.

„Jedes Mal wenn meine Kinder hinaus gehen wollen zum Spielen, muss ich sie fragen, ob sie ihre Schulaufgaben erledigt haben,“ kritisiert Hiltrud Lintel, Mutter von drei Kindern. „Nicht nur, dass während der Woche die zeitliche Belastung durch 20 Prozent mehr Unterricht gesteigert wird. Auch am Wochenende muss Zeit zum Lernen freigehalten werden. Selbstbestimmte Freizeitgestaltung, Zeit für die Familie und für Freunde wird zur Farce.“

Pädagogische Argumente für eine Schulzeitverkürzung lassen sich kaum finden. Hinzu kommt: NRW fällt bei der Schulleistung immer weiter ab. Die Elterninitiative sieht einen Grund dafür in G8. Im Auftrag der Kultusministerkonferenz untersuchte das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen das Fachwissen und den Lernzuwachs der Schüler. Dabei kam Nordrhein-Westfalen in allen Fächern auf die letzten Plätze, in Physik sogar auf den letzten Platz. Rheinland-Pfalz hingegen, wo das Abitur nach 13 Jahren beibehalten wurde, belegt in allen Fächern den ersten oder zweiten Platz unter den westdeutschen Bundesländern, obwohl rheinland-pfälzische Gymnasiasten erst nach der der 10. Klasse die Sekundarstufe I abschließen und deshalb in Klasse 9 im Stoff weniger weit sind. „Bei einem fairen Vergleich wäre der Vorsprung für Rheinland-Pfalz noch größer,“ sagt der Siegener Lehrer Marcus Hohenstein, der Sprecher der Elterninitiative „G9 jetzt NRW“. Wodurch sich der deutsche Wettbewerbsvorteil bei schlechterer Ausbildung in Zukunft begründen soll, bleibt schleierhaft. Weniger Lernen und Lerninhalte noch weiter zu reduzieren, wie im sog. „runden Tisch“ vorgeschlagen, erscheinen daher fragwürdig. „Weniger Ergebnis bei mehr Stress für alle Beteiligte: Das ist eine typische ‚lose-lose‘ Situation,“ betont Prof. Schiele, der Ansprechpartner der Elterninitiative in Düsseldorf ist. „Wären wir in der Schweiz, würde die Anzahl der gesammelten Unterschriften fast schon für einen Volksentscheid reichen.“ In NRW liegen diese Hürden allerdings zehnmal höher. Das Ergebnis eines Volksentscheids dürfte indes klar sein: Studien zeigen, dass unabhängig von politischer Gesinnung mehr als 76 aller Bürgerinnen und Bürger in NRW das Turbo-Abi ablehnen. Jetzt hoffen die G9-Befürworter mit der Landtagswahl 2017 eventuell die Richtung ändern zu können.

(Report Anzeigenblatt)