50 Euro für den Notfall?

50 Euro für den Notfall?

Unfälle, Kreislaufschwächen, Herzattacken — in den Notaufnahmen der Gladbacher Krankenhäuser wird's oft hektisch. Etwa jeder dritte Patient in der Notaufnahme ist kein echter Notfall. Aber was tun?

Mit einer 50-Euro-Gebühr Patienten "ohne Not" abschrecken? Der Extra-Tipp hat nachgefragt.

Montag, halb elf in der Notaufnahme. Die Patienten mustern sich. Was die da wohl hat? Und der am Empfang... Der sieht gar nicht richtig krank aus. Was macht der in der Notaufnahme? Muss ich jetzt mit meiner schlimmen Bronchitis warten, weil der vom Online-Zocken Muskelkater im Finger hat…?

Es ist überspitzt formuliert, spiegelt aber die Situation in vielen Notaufnahmen wider. Auch in den Gladbacher Krankenhäusern sind die an manchen Tagen stark belastet. Und immer wieder schlagen auch hier Patienten auf, die als "niedrigdringlich" eingestuft werden können, das heißt, die keinen zwingend sofort zu behandelnden Notfall darstellen. Doch wie löst man das Problem? Mit einer Gebühr von 50 Euro für Notaufnahme-Patienten, wie sie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen vorgeschlagen hat? Die Notaufnahmen der Gladbacher Krankenhäuser und die KV Nordrhein nehmen Stellung.

Eine bundesweite Statistik besagt, dass jeder dritte Patient in der Notaufnahme kein echter Notfall ist. Die Zentralambulanz des Krankenhauses Neuwerk kennt das Problem. "Hier werden immer wieder Patienten vorstellig, die keiner Notfallbehandlung bedürfen", so Geschäftsführer Markus Richter. Um die wirklich dringlichen Fälle zuerst zu behandeln, nutze man das "Manchester-Triage-System" (MTS), nach dem Patienten je nach Schmerzen und Symptomen in drei Dringlichkeitsstufen eingeteilt werden.


Auch die Zentrale Notaufnahme im Elisabeth-Krankenhauses Rheydt (Eli) wendet das MTS an. Ärzte und Pflegekräfte müssen die Patienten oft unter Stress und in kürzester Zeit einschätzen und einer Stufe von "sofort" bis "nicht dringend" zuweisen. Rund 100 Menschen kommen pro Tag in die Notaufnahme des Eli. Und Chefarzt Dr. Tobias Strapatsas erklärt: "Im Durchschnitt gilt jeder Dritte als niedrigtriagiert!"


Doch wie geht man damit um? Der Vorschlag der KV Niedersachsen, 50 Euro als "Eintrittsgebühr" für die Notaufnahme zu nehmen, stößt beim Neuwerker Krankenhaus auf Ablehnung. Markus Richter hält die Gebühr für "systemfremd". Auch die 2004 eingeführte Praxisgebühr von zehn Euro habe nicht dazu geführt, dass Patienten seltener zum Arzt gehen und sei daher wieder abgeschafft worden.
Dr. Andreas Tittel, ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Bethesda, sieht es ähnlich. "Wir führen keine Statistiken", sagt er. "Aber ich bin dafür, die Hemmschwelle niedrig zu halten. Patienten haben oft Angst. Sie versuchen, in ihrer Not Hilfe zu bekommen. Daher bin ich gegen die Eintrittsgebühr.."

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Auch Dr. Tobias Strapatsas lehnt den Vorschlag ab: "Eine solche Gebühr führt zu mehr Bürokratie und schließt möglicherweise Menschen von der Gesundheitsversorgung aus, die wirklich eine Notfallversorgung benötigen."


Dr. med. Arno Theilmeier, Internist und Vorsitzender der Bezirksstelle der kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, ist ganz anderer Meinung und spricht sogar von fast 70 Prozent Patienten, die ohne klinikrelevante Beschwerden in der Notaufnahme aufschlagen. "In Mönchengladbach ist die Zahl noch höher als im bundesweiten Schnitt", sagt er und fordert: "Die Patienten müssen zur Verantwortung gezogen werden." Es könne nicht angehen, dass jeder mit nicht akut in der Klinik zu behandelnden Wehwehchen aus Bequemlichkeit "oder weil nichts im Fernsehen läuft" zur Notaufnahme gehe. Der richtige Weg sei der zum niedergelassenen Arzt beziehungsweise Facharzt und außerhalb der Sprechzeiten zur kassenärztlichen Notfallpraxis. Die Telefonnummer ist leicht zu merken: 116 117. Und was "Terminprobleme" bei Fachärzten betreffe, stimme dies nicht. "Mit unerträglichen Schmerzen wird einen jeder Arzt dazwischenschieben." Die Patienten, ist Theilmeiers Meinung, müssen umdenken, von ihrem Anspruchsdenken abrücken. Denn ab 2025 drohe ein Ärztemangel in Mönchengladbach.

(Report Anzeigenblatt)