1. Mönchengladbach

Auch in Mönchengladbach sind zu wenig Kinder geimpft

Mönchengladbacher Kinderärzte warnen : Masern – die unterschätzte Gefahr

Dass Masern in Deutschland ausgerottet sind, ist ein Irrglaube. Im Gegenteil: Nach Corona steigen die Zahlen wieder: In Deutschland hat es in diesem Jahr schon 79 Masernfälle gegeben, 26 davon in NRW. In Mönchengladbach gibt es noch keinen. Doch die Gefahr ist groß! Masern sind hochansteckend und können lebensgefährlich sein. Mönchengladbacher Kinderärzte appellieren daher eindringlich an alle Eltern: Geht mit Euren Kindern zur Impfung!

Was Masern angeht, gibt es viele Irrtümer. So suggeriert die in die Alltagssprache eingegangene Bezeichnung „Kinderkrankheit“, dass es sich um etwas Harmloses handelt. Dabei sind die Symptome schwerwiegend. „Verrotzt, verheult, mit Fieber und roten Flecken am ganzen Körper – Sie haben ein todkrankes Kind!“, erklärt Ralph Köllges, Kinder- und Jugendarzt sowie Initiator des „Bündnis gegen Masern – Bündnis für Impfen“. Auch die Annahme, dass ein Kind Masern „mal durchmachen müsse, weil es das Immunsystem stärke“, sei völlig falsch. „Im Gegenteil, eine Maserninfektion löscht die Gedächtniszellen und verursacht einen Immundefekt für drei bis fünf Jahre!“, warnt Köllges. Und in punkto „durchmachen“ kommt es noch dicker. Gerade bei Kindern unter fünf Jahren und Erwachsenen können Masern zu schweren Komplikationen führen: Mittelohr- und Lungenentzündung, Durchfall und Gehirnentzündung (Enzephalitis). Ganz fatal ist eine Spätfolge der Masern, die etwa sieben Jahre nach der Infektion auftreten kann: „SSPE zerstört die Zellstrukturen im Gehirn, ähnlich wie bei der Demenz, und führt fast immer zum Tod“, zeichnet Köllges ein drastisches Bild – um auch noch die letzten Impfzögerer und -verweigerer wachzurütteln.

In Mönchengladbach hat es 2023 nur einen Fall von Masern gegeben und in diesem Jahr bislang noch keinen. Was zunächst nach entspannter Lage klingt, kann die Ruhe vor einem verheerenden Sturm sein, denn: Masern sind viel, viel ansteckender als Corona. Besonders fatal, wie Dr. Sabine Keiser erklärt: „Infizierte Kinder sind schon fünf Tage ansteckend, bevor der Hautausschlag auftritt. Eine laufende Nase haben viele, die Flecken auf der Mundschleimhaut werden nicht bemerkt, man denkt, das Kind hat einen Schnupfen und im Kindergarten steckt es alle anderen an.“

Dasselbe gilt natürlich für das Wartezimmer beim Kinderarzt oder die Kinderstation des Krankenhauses. Selbst frei im Raum kann das Masernvirus bis zu zwei Stunden überleben. Erwischt es nicht/noch nicht geimpfte Kinder, oder auch nicht geimpfte Erwachsene der Geburtsjahrgänge ab 1970, erkranken diese, viele schwer. „So ein Ausbruch würde unsere Klinik lahmlegen“, mahnt Dr. Ingo Kern, Oberarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am Elisabeth-Krankenhaus.

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Dass die Bedrohung durchaus real ist, sieht man an den zunehmenden Maserfällen in den benachbarten Niederlanden, aber auch zum Beispiel in Köln (12 Fälle) und im Hochsauerland-Kreis (9 Fälle).

Bei weniger als 80 gemeldeten Fällen pro Jahr im gesamten Bundesgebiet gelte Deutschland als masern-frei, erklärt Köllges zur Veranschaulichung. „Aber diese Hürde haben wir jetzt schon gerissen. Am 26. März hat das Robert-Koch-Institut 103 Fälle für 2024 gemeldet!“

Schuld ist die in den letzten Jahren gesunkene Impfquote. Erst bei 95 Prozent ist eine ausreichende Immunität vorhanden, um Ausbrüche zu verhindern. Doch von dieser Quote ist Mönchengladbach wie ganz Deutschland weit entfernt. Die bundesweite Impfquote für die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene zweite Masern-Impfung bei Kindern im Alter von 24 Monaten liegt laut Bundesministerium für Gesundheit bei nur 73,9 Prozent. Und auch bei den ab 1970 geborenen Erwachsenen klaffen große Impflücken. Dass das Masernschutzgesetz seit 2020 vorschreibt, dass Kinder und Kita-Mitarbeiter gegen Masern geimpft sein müssen, ändere daran wenig, wie Köllges erklärt. „Etwa zehn Prozent legen den Impfnachweis nicht vor.

Noch ein wichtiges Argument für die Masernimpfung: Sie ist völlig unproblematisch. „In all meinen Jahren in der Kinderklinik hat kein einziges Kind auf die Impfung reagiert, auch keines, bei dem die Eltern Sorge hatten wegen einer Allergie“, sagt Dr. Ingo Kern. Auch die Statistik belegt: Komplikationen treten bei einer Masernerkrankung um ein Viel-, ja Tausendfaches häufiger auf als bei der Impfung (Fieber etwa bei 98 Prozent der Kinder gegenüber 3-5 Prozent, Thrombozytopenie bei 1 von 3 000 Kindern gegenüber 1 von 50 000 Kindern).

Die Gladbacher Kinderärzte wollen alle geimpft wissen, damit es auch künftig keinen Masern-Ausbruch gibt. Ihr Ansatz: Die Hürden so gering wie möglich machen. „Die Impfung muss zu den Leuten, nicht die Leute zur Impfung“, fordert Köllges und erinnert noch einmal daran, dass jeder Arzt impfen kann, also auch der Frauenarzt den Mann oder der Kinderarzt die Mutter.

Mehr Info gibt es bei Info-Veranstaltungen am Samstag, 4. Mai, 10 bis 12 Uhr, auf dem Rheydter-Markt sowie von 13 bis 15 Uhr auf dem Sonnenhausplatz.