Warum „Blitzen“ keine Schikane ist

Warum „Blitzen“ keine Schikane ist

An einigen Mess-Stellen des Blitzmarathons haben Beamte denjenigen, die zu schnell waren, von Unfällen erzählt, die sie an diesem Ort aufnehmen mussten.

Ein useliger Morgen im März 2012. Eine junge Frau steigt in ihr Auto, will zur Arbeit fahren. Von Dülken in Richtung Schwalmtal, über den Amerner Weg. Sie ist spät dran und eilig. Die Straße ist nass, es hat in der Nacht geregnet. Es ist kalt, Winterende eben. Die langgezogene Rechtskurve fährt sie jeden Morgen, kennt sie gut. Und doch verliert sie am Ende der Kurve die Kontrolle über ihren Wagen, kommt nach rechts von der Straße ab und prallt mit der linken Fahrzeugseite vor einen Baum. Der schlägt hinter der B-Säule in das Auto ein, die Fahrertür springt durch den Aufprall auf, der Sicherheitsgurt reißt. Sie wird aus dem Auto geschleudert und bleibt schwer verletzt liegen.

Polizeioberkommissar Tibor Fessel hat an diesem Morgen Dienst. Er nimmt mit Kollegen den schweren Unfall auf. „Möglicherweise war sie noch nicht einmal schneller als die an dieser Stelle erlaubten 100 Stundenkilometer“, sagt er. „Aber sie hat später einmal selbst gesagt, dass es bei der regennassen Straße nicht angepasst war. Was auf den Schildern steht, ist ja die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Wenn die Situation es erfordert, muss man langsamer fahren.“ Dass es für die junge Frau nach diesem Unfall überhaupt ein „Später“ gab, grenzt für Tibor Fessel an ein Wunder.

Die Geschichte dieses Unfalls erzählt er ein Stück weiter den Amerner Weg herunter, kurz hinter der Einmündung Vogelsrath am Donnerstagmorgen Menschen, die von seinen Kollegen angehalten werden, weil sie zu schnell unterwegs waren. Sie macht Eindruck.

Eine Frau ist mit gut zehn Stundenkilometer mehr als den erlaubten 70 angehalten worden. Sie wohnt in der Nähe, fährt hier häufig. „Das ist schon okay mit der Kontrolle“, sagt sie. „Der Amerner Weg ist extrem mit Unfällen belastet, besonders im Winter.“ Tibor Fessel rechnet ihr vor, wie erschreckend wenig Zeit man sparen kann, wenn man zu schnell unterwegs ist. Nach seiner Einschätzung könne man zwischen Amern und Waldniel unter Umgehung sämtlicher Verkehrsregeln und mit „extremer Raserei“ höchstens zwei Minuten gewinnen.

Fessel ist seit fast 19 Jahren im Dienst der Polizei. Als Führungskraft muss er nicht nur Unfälle aufnehmen, sondern auch Angehörige benachrichtigen, wenn jemand bei einem Unfall schwer verletzt worden oder gar gestorben ist. Das ist für ihn noch schlimmer, als an einer Unfallstelle zu stehen – zu sehen und mitzuerleben, welches Leid ein Unfall in eine Familie bringen kann.

(Report Anzeigenblatt)