Pferde nicht mehr Nummer 1?

Pferde nicht mehr Nummer 1?

Der Reitstall Barthelmes in Giesenkirchen bietet Longenstunden und Reitunterricht für Kinder ab acht Jahren an. Fünf kleine und sechs größere Ponys warten auf ihren Einsatz, denn der Nachwuchs fehlt.

„Früher mussten wir die Mädchen darum bitten, erst ab Mittag zu kommen, damit die Pferde auch mal ihre Ruhe hatten. Aber es ist nicht mehr so, wie es mal war. Nur eine Handvoll der Mädchen ist übrig geblieben“, sagt Claudia Barthelmes, gelernte Pferdewirtin und Reitlehrerin im Reitstall Barthelmes.

Tatsächlich ist es ruhig im Reitstall, trotz Ferien! Es ist kurz vor 11 Uhr und die Pferde werden von der Weide geholt. Auf die Frage, was das Faszinierende an Pferden ist, antwortet Claudia: „Ihr Geruch. Zu spüren, dass das Pferd sich wohl fühlt, hat etwas sehr befriedigendes.“

Auf vier verschiedenen Weiden sind sie verteilt, jedes Pferd mit Fliegenmaske über dem Kopf, die vor Insekten und der Sonne schützen. Claudia geht alleine. Geht für jedes Pferd einzeln, mit Ruhe und ohne Hektik. Kennt ihre Pappenheimer sehr genau, weiß, dass ein Ponyhengst immer der Letzte sein möchte.

Warum ist es so ruhig geworden im Stall? Wo sind die Mädchen? Dass der Pferdesport seit je her die weibliche Fraktion anlockte, ist nichts Neues. Erst im „großen Sport“ und bei Springturnieren tauchen sie wieder auf, die Männer auf dem Pferd. Aufregend und spannend muss es schon sein, sonst sind die Herren gelangweilt. Nicht so bei den Mädchen. Striegeln, füttern, kuscheln und beschmusen, einen Zuhörer haben, dem man alles erzählen kann. Aber das Höchste ist es, auf so einem schönen Tier zu sitzen, den Körper spüren und getragen zu werden. „Ein bis zwei Jahre muss man schon durchhalten. Denn nach den empfohlenen zehn Longenstunden wird es erst schwierig“, sagt die Reitlehrerin. „Das Pferd hat bis dahin ja auf mich gehört.“

Geld spielt natürlich eine Rolle. „Viele Kinder haben nicht mehr das Geld von zu Hause, um sich Reitstunden über einen längeren Zeitraum zu leisten“, sagt Claudia. „Aber einige Kinder bekommen eine finanzielle Unterstützung“, weiß die 52-jährige Reitlehrerin.

Tatsächlich haben Geringverdiener Anspruch auf eine Beteiligung an Kosten für Sportvereine, Reitstunden oder Schwimmunterricht. Eine Förderung der geistigen, seelischen und körperlichen Entwicklung der Kinder ist das Ziel. Aber es gibt auch die andere Seite. Schüler, insbesondere der Ganztagsschulen oder in der Oberstufe, haben weniger Zeit als früher. Reitstunden am Nachmittag sind oft nicht möglich, da noch die Hausaufgaben anstehen, ein Kurs oder eine AG. „Das Angebot ist sehr groß geworden und viele Kinder und Jugendliche haben viele Hobbys. Und das ist auch gut so“, sagt Claudia Barthelmes. Fechten, Golf, ein Instrument erlernen, Theater spielen, Parkour, Fußball, um nur einen ganz kleinen Auszug aus der Vielzahl der Angebote zu nennen, regieren die Freizeit. „Früher haben wir an so was keinen Gedanken verschwendet“, sagt Claudia. Stimmt! Wir hatten nur eine Passion. Und das waren Pferde!

(StadtSpiegel)