1. Willich

Sarah Easter war für CARE als Nothelferin in der Ukraine.

Ganz nah an der Frontlinie in der Ukraine : Starke Frau, ganz nah an der Front

Am kommenden Freitag, 8. März, wird der Internationale Frauentag gefeiert. Er rückt die Frau in den Fokus, steht für starke Frauen, Frauenrechte, Gleichstellung und Gleichberechtigung. Eine besonders starke Frau ist die aus Anrath stammende Sarah Easter. Als Referentin für Nothilfekommunikation (kurz Nothelferin) ist sie für die Organisation CARE in internationalen Krisengebieten unterwegs und hilft Menschen vor Ort. Jetzt war sie in der Ukraine - ganz nah an der Front.

Die in Berlin lebende Sarah Easter aus Anrath ist seit vielen Jahren für die Hilfsorganisation CARE international unterwegs, hilft Menschen in den von Krisen betroffenen Gebieten. Nach ihrer Reise in Afghanistan und dem vom Erdbeben getroffenen Gebieten in der Türkei (der Extra-Tipp berichtete) ist sie jetzt in die Ukraine gereist - nah der Frontlinie in die Städte Kherson sowie  Izium, Donestsk Oblast. Dort traf sie auf Menschen, die den Krieg in der Ukraine tagtäglich erleben. Ein Leben im Krieg, ein Leben in täglicher Gefahr für Männer, Frauen und Kinder. „Jede einzelne Geschichte macht mich sprachlos“, erzählt die Nothelferin.

Und tatsächlich: Wie gefährlich die Situation ist, zeigt ein Raketenangriff Ende Februar, der auch ein CARE-Gemeindezentrum in Pokrowsk zerstört hat. Hier musste die Hilfe für die Menschen kurzfristig eingestellt werden. Das Gemeindezentrum diente als wichtiger Ort für psycho-emotionale Hilfssitzungen, Rechtsberatung sowie Workshops und Spiele für Kinder und Erwachsene und leistete entscheidende Unterstützung bei der Bewältigung der Auswirkungen des anhaltenden Krieges in der Ukraine. „Jeden Tag erleben wir, wie Zivilisten unter den Folgen des Krieges leiden. Die Intensivierung der Angriffe hat zu erheblichen Einschränkungen der humanitären Arbeit geführt. Die Zerstörung des Gemeindezentrums ist ein weiteres Zeichen der Eskalation dieses Krieges. Diese Zentren sind das Herzstück der Gemeinschaften, in denen lebenswichtige Dienste und Hilfe bereitgestellt werden“, sagt auch Selena Kozakijevic, CARE-Ukraine-Regionaldirektorin.

„Die erste Explosion, die ich höre, klingt wie ein entfernter Donner und lässt die Fensterscheiben klirren und den Boden unter meinen Füßen vibrieren“, so die Anratherin Sarah Easter in ihrem Bericht an CARE. Sie hält kurz inne und fährt mit ihrem Interview mit dem 66-jährigen Vasyl fort. Er lebt in Kherson und wartet in der Schlange vor einer Verteilung durch eine CARE-Partnerorganisation. „Hast du Angst?“, fragt Vasyl die Anratherin. „Was soll man auf so eine Frage antworten?“, erzählt Sarah Easter. Es sei ein großes Privileg, in dieser Situation keine Angst zu haben, denn sie sei nur eineinhalb Stunden in Kherson, während Vasyl und seine Nachbarn hier ihr Leben verbringen. „Ich hatte das Privileg, Kherson und die vom Krieg zerrissene Ukraine zu verlassen und in das friedliche Deutschland zurückzukehren. Sie können nicht gehen, weil es ihnen an Geld und Möglichkeiten mangelt“, weiß Sarah Easter. Vasyl hat gerade mal 50 Euro Monatsrente - wie die meisten hier. Sie können nicht weg, aus finanziellen Gründen oder weil sie sich um die Eltern kümmern, die nicht mehr mobil sind. „Diejenigen, die zurückgeblieben sind oder zurückgelassen wurden, leben seit zwei Jahren mit diesem Krieg und ich erlebe nur einen kleinen Teil dessen, was das wirklich bedeutet“, macht sich die Nothelferin bewusst. Sie sagt, die Menschen riskieren ihr Leben jedes Mal, wenn sie aus ihren Kellern treten, um Nahrung oder Wasser zu suchen, und lauschen ständig auf Explosionen. So würde eine ganze Generation von Kindern in dunklen und kalten Kellern aufwachsen und Nachtschichten übernehmen, um auf ihre Familienmitglieder aufzupassen.

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Dann trifft sie die 60-jährige Olga, die das Wort „Menschen“ auf die Tür ihres Kellers geschrieben hat. „Ich lerne Darya kennen, die neun Jahre alt ist und bis zwei Uhr morgens wach bleibt, um die Explosionen zu hören und notfalls ihre Mutter und Großmutter warnen zu können. Ich spreche mit Iryna, die jede Nacht in einem kalten, kaputten Aufzugsschacht darauf wartet, dass die Explosionen aufhören. Ich spreche mit Sviatlana, die sich nur noch rennend fortbewegt, um nicht so ein leichtes Ziel zu sein. Und ich spreche mit Kindern, die schreiend nach Hause laufen, wenn sie die Alarmsirenen hören“, fasst Sarah Easter das Elend zusammen. Das Fazit ihrer Reise: „Der Krieg ist real. Und er findet jeden Tag in Europa statt. Wir müssen es besser machen und dürfen nicht wegschauen, denn Millionen von Menschen brauchen Hilfe, um zu überleben, und jede Unterstützung kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.“

CARE arbeitet in der Ukraine mit 21 Partnerorganisationen zusammen und unterstützt die betroffenen Menschen mit der Verteilung von Hygienesets, Küchengeräten und anderen lebensnotwendigen Dingen. Mehr Infos gibt es unter www.care.de